Stellungnahme: Ortho-K-Kontaktlinsen und Lenkberechtigung
Die Ortho-K-Kontaktlinse (=orthokeratologische Kontaktlinse oder Nachtlinse) ist eine formstabile Kontaktlinse mit ganz besonderen Eigenschaften, die sich in Österreich zunehmender Beliebtheit erfreut. Sie wird in der Regel nur nachts getragen und verändert bei idealer Anpassung durch Verformung der Hornhaut die Brechkraft des Auges so, dass mittlere bis geringe Myopien (Kurzsichtigkeit) und Astigmatismen (Stabsichtigkeit) nach Absetzen der Linse für den nächsten Tag ausgeglichen sind.
Aufgrund der typischen Anpass-, Kontroll- und Sicherheitserfordernisse ist sie als Kontaktlinsenversorgung im Sinne der im Führerschein eingetragenen Codes 01.02 (Kontaktlinsen) oder 01.06 (Brille oder Kontaktlinsen) zu werten.
Bei regelmäßigem Tragen der Kontaktlinse in der Nacht benötigen diese „Kontaktlinsenträger“ tagsüber keine Kontaktlinse oder Brille, um den erforderlichen Visus (Sehvermögen) von mindestens 0,5 oder mehr zu erreichen. Das bedeutet, dass diese Kontaktlinsenträger bei richtiger Anwendung auch ohne Kontaktlinsen gut sehen können.
Alternativ können die Kontaktlinsen auch tagsüber getragen werden und bei optimaler Anpassung wird auch mit diesen Kontaktlinsen eine entsprechende Sehschärfe erreicht.
Problematisch wird es für das Sehvermögen, wenn die Kontaktlinse nachts zu kurz oder nur unregelmäßig, also nicht jede Nacht, getragen wird. Die Kurzsichtigkeit kehrt dann langsam, entsprechend dem nachlassenden Druck der Linse während der Nacht, zurück. Die Kurzsichtigkeit wird wieder relevant. Orthokeratologische Kontaktlinsen werden üblicherweise in einem Dioptrienbereich von ca. -1,0s bis maximal -5,0s Dioptrien Kurzsichtigkeit auch in Kombination mit Astigmatismus eingesetzt.
Besonders problematisch ist, dass die Fehlsichtigkeit erst nach einer Tragepause von einigen Tagen (ca. 5-10 Tage) wieder den Ausgangswert erreicht und sich in dieser Latenzphase unvorhersehbar verändert. Das bedeutet, dass in dieser Zeit unterschiedliche Brillenstärken erforderlich sind, um den Refraktionsfehler zu korrigieren. Eine Anschaffung einer oder sogar mehrerer Brillen für den Gebrauch in solchen Tragepausen kann daher sinnvoll sein, andernfalls muss eine mehrtägige Lenkuntauglichkeit in Kauf genommen werden.
Aus augenärztlicher Sicht ist daher das Fahren von Kraftfahrzeugen für Träger von Ortho-K-Kontaktlinsen nur dann zu empfehlen, wenn diese optimal angepasst sind und
- regelmäßig jede Nacht getragen werden oder
- beim Autofahren getragen werden oder
- nach einer längeren Kontaktlinsenpause (5–7 Tage) eine Brille mit den ursprünglichen Dioptrienwerten getragen wird.
In Österreich dürfen sowohl Fachärzte für Augenheilkunde als auch Augenoptiker mit Zusatzausbildung Ortho-K-Kontaktlinsen anpassen. Im Ausland sind andere gesetzliche Regelungen möglich. Es ist grundsätzlich Aufgabe des Kontaktlinsenanpassers, den Patienten über die Eigenschaften der Ortho-K-Kontaktlinsen aufzuklären und es ist dem Kontaktlinsenträger zuzumuten, diese entsprechend sorgfältig anzuwenden. Natürlich ist niemand in der Lage zu überprüfen, ob die Kontaktlinsen tatsächlich korrekt angewendet werden. (Dies gilt allerdings auch für alle anderen Kontaktlinsentypen und letztlich auch für eventuelle Brillenkorrekturen).
Empfehlungen an den sachverständigen Arzt (meist für Allgemeinmedizin), der die Überprüfung des Sehvermögens vornimmt:
- Es sollte explizit nach Kontaktlinsen gefragt werden, die nur nachts getragen werden.
- Nach dem regulären Tragen von Ortho-K-Kontaktlinsen über Nacht ist am nächsten Tag ein Sehtest ohne Kontaktlinsen durchzuführen. (Idealerweise erst am späteren Nachmittag, da die den Brechungsfehler ausgleichende Wirkung den ganzen Tag anhalten muss).
- Sehtest mit der Kontaktlinse.
Alternativ zu den Punkten 2 bis 3 kann auch ein augenärztlicher Bericht mit diesen Tests angefordert werden.
Gemäß Führerscheingesetz-Gesundheitsverordnung wird von PKW-Lenkern eine Sehschärfe beim beidäugigen Sehen von mindestens 0,5 verlangt, zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe 2 mindestens 0,8 auf einem Auge und von mindestens 0,1 auf dem anderen. Werden diese Werte ohne Korrektur nicht erreicht, so gilt das Sehvermögen als mangelhaft. Die entsprechend erforderliche Korrektur wird im Führerschein mit Zahlencodes eingetragen: 01.01 Brille, 01.02 Kontaktlinse(n), 01.06 Brille oder Kontaktlinsen.
Die (erreichte) Sehschärfe ist sehr stark vom Alter und auch von individuellen Gegebenheiten abhängig. Daher wird von der Empfehlung an Ortho-K-Kontaktlinsen-Träger, eine Brille mit einer mittleren Dioptrienstärke anzuschaffen, die Tragepausen von ein bis zwei Tagen einschließt, abgeraten.
Mitglieder des VKAA können den „Ortho-K-Sicherheitsfolder“ hier herunterladen.
Quellen:
1. Uthoff, D., Hebestedt, K., Duncker, G. & Sickenberger, H. Multizentrische Studie zur Fahreignungsbegutachtung von LASIK- und Orthokeratologie-Patienten im Vergleich zu konventionell korrigierten Personen. Klinische Monatsblätter Für Augenheilkunde 230, 255–264 (2013).
2. Leitlinien für die gesundheitliche Eignung von Kraftfahrzeuglenkern. Ein Handbuch für Amts- und Fachärzte und die Verwaltung. Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK) (2019) https://www.bmk.gv.at/dam/jcr:a89edf17-d076-4855-aa0a-6b22b3542a26/gesundheit_leitlinien.pdf